Abschiebung aus Leer nach Amerika

Bis etwa 1875 war es in den deutschen Ländern möglich, Häftlinge in die USA abzuschieben. Erst dann gelang es der US-Regierung, sich gegen die Einwanderung von Kriminellen zu wehren.

 

Nicht alle Personen, die als "kriminell" bezeichnet wurden, hatten sich schwere Straftaten zuschulden kommen lassen. Über die Abschiebung ließen sich auch unbequeme oder unerwünschte Bürgerinnen und Bürger "loswerden".

 

Aus Leer sind zwei Abschiebungsfälle bekannt. Die Überlieferung befindet sich im Stadtarchiv Leer (Rep. I 2022 und Rep. I 2040/41).

Dieses Dokument wurde Catharina Estermann bei ihrer Entlassung aus dem Werkhaus Mooringen gegeben. Aufgrund ihrer Tätigkeit als "Straßenhure" war Estermann ein Jahr lang im Arbeitslager Mooringen interniert gewesen.

 

Die Leeraner Beamten schilderten den damaligen Gesundheitszustand von "Fräulein Estermann" folgendermaßen:

 

"Die Catharina Estermann ist der Unzucht im höchsten Grade ergeben, ergibt sich gewerbsmässig derselben, und scheut nicht die geringsten Mittel, Mannspersonen zu liederlichen Zwecken an sich zu locken, auch lebt sie fast immer im betrunkenen Zustande. Sie ist eine arge Strassenhure und Säuferin, Lust zur Arbeit um sich dadurch zu ernähren, fehlt gänzlich."

Registriert Leer, den 24. Juli 1852

 

Der Agent H. Wiemann erklärte auf Befragen:

 

Der Ueberfahrtspreis nach New York ist 30hf Gold, die Plätze werden auf dem 1ten (?) 15 jeden Monats belegt, an welchen Tagen die Passagiere in Bremerhafen sein müssen. Ich werde indessen heute anfragen, ob die Catharina Estermann, wenn sie am 5ten K.M. in Bremerhafen eintrifft, mit einem auf den 1ten Aug. zur Abfahrt designierten Schiffe die Reise machen kann, und in diesem Falle sofort einen Platz für sie belegen lassen. Für Anschaffung der Utensilien etc. In Bremerhafen werde ich Sorge tragen.

 

Falls der 5. August als Ankunftstag in Bremerhafen acceptirt wird, ist die Abreise von hier auf den 3ten des Monats zu bestimmen.

Hilling

 

Es machte der Agent Wiemann ferner am 26. Juli 1852 die Mittheilung, dass laut Schreibens aus Bremen die Catharine Estermann mit einem auf den 1. August zur Abreise designirten Schiffe dann die Ueberfahrt machen können, wenn die Estermann längstens am 3. Aug. d.J. in Bremerhafen eingetroffen sein werde. Der Platz sei aber dann mit ungesunder Hast zu belegen, und müsse er ersuchen, bis diesen Abend 5 Uhr mit desselbigem Bescheide versehen zu werden.

 

Sodann erschien der Rendant der lutherischen Armenverwaltung, der Kaufmann G. ? und erklärte, dass die Armenverwaltung die Anschaffung der Kleidung für die Estermann übernommen habe, und die Kleidungsstücke so zeitig fertig sein können, dass die Estermann am 1ten K.M. werde abreisen können.

 

Hilling

Die Acta des Schmiedegesellen Albert Joseph Bernhard Schwarz beinhaltet ein kleines Stück purer Kriminalgeschichte. Er reiste mit vielen gefälschten Pässen durch das Königreich Hannover und begann Diebstähle. Einen Auszug aus der von Manfred Wegner im Stadtarchiv Leer erforschten Reiseroute ist aus diesen Dokumenten erkennbar. Erst als Schwarz eine jahrelange Gefägnisstrafe angedroht worden war, hatte er angefragt, ob er nicht nach Amerika abgeschoben werden könnte.

 

Auszug:

 

Albert Joseph Bernhard Schwarz - dokumentierte Reisestationen

 

Am 17.September 1850 erhielt Albert Joseph Bernhard Schwarz seinen Pass (Wanderbuch) mit dem eingetragenen Vermerk der weiteren Reise von hier (Leer) über Papenburg nach Meppen

 

Mit Stempel und Unterschrift des jeweiligen Amtes sind folgende weitere Stationen verzeichnet:

 

23.09.1850

No 105

Gut zur Reise nach Lingen

Meppen den drei und zwanzigsten September 1800 und fünfzig Stand………. Amt

[Stempel und Unterschrift]

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24.09.1850

No 328

Gut nach Ankum

Lingen den vier und zwanzigsten September 1800 und fünfzig

[Stempel]

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27.09.1850

No 115

Nach Lemförde

Ankum 27 Sept.1850

[Stempel und Unterschrift]

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30.09.1850

[ohne Nummer]

Über Diepholz nach Bremen

Amt Lemförde am dreißigsten September 1800 und fünfzig

[Stempel und Unterschrift]

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25.10.1850

No 23..7

Gut nach Harpstedt

Bremen, den 25.Oct.1850 ………. Direction

hieselbst vom ………. verbotwidriger ………. und ausge……….

[Stempel und Unterschrift]

 

[...]

Bilddokument Nr.185

 

Daß ich Unterzeichneter vom Wohllöblichen Magistrat hieselbst folgende Kleidungsstücke ect: als

 

         1 Überrock von blauem Tuch

         1 Jacke

         1 schwarze Tuchweste

         1 graue Tuchweste

         1 blaue Tuchhose

         1 braune Hose von Moltonz[1]

         4 Halstücher

   +    1 s. g. Trost[2]

         4 Taschentücher

         2 graue Unterjacken, von Moltonz

         2 graue Unterhosen              

   +    1 blauen Kittel

         6 Hemde von Kattun[3]

         4 Paar halbe Strümpfe

         1 paar Hosenträger

         1 paar Stiefeln

         1 paar Schu

         1 Nachtmütze

         2 Haarkämmer groß & kl.

         1 Kleiderbürste

         1 Schubürste

         Rasirzeug, 1 Etui mit Rasirwasser, ein hölzernes Döschen, 1 Quast und 1 stück Seife

   +    1 Paar Handschuhe

   +    1 Kappe

   +    1 Pfeife

         1 Sack zu den Effecten.



[1]     Molton ist ein meistens aus 100 Prozent Baumwolle bestehender Stoff, dessen Merkmal es ist, beidseitig geraut zu sein.

[2]     Hierbei handelt es sich evt. um einen für die Dauer der Reise spendendes alkoholisches Getränk, oder um eine in Schriftform gefaßte kurze Trost spendende Begleitschrift

[3]     Kattun (von arabisch katon, „Baumwolle“) ist ein glattes, leinwandartig gewebtes, ziemlich dichtes Baumwollzeug. Das einfarbige oder bedruckte Gewebe kann auch aus Chemiefasergarnen hergestellt sein.

Geschehen, Leer im Rathhause, den 7.Februar 1852

 

Der Schmiedegesell Albert Schwarz wurde aus dem Gefängnisse vorgeführt, und ihm eröffnet, dass die Königliche Landdrostei zu Aurich auf desfalltigen Berichts die Sistirung des wider ihn eingeleiteten Verfahrens wegen Umhertreibens und wegen Abführung in ein Werkhaus genehmigt, auch seine Auswanderung nach Amerika gestattet habe, jedoch unter dem Vorbehalte, dass das Verfahren im Fall seiner Rückkehr wieder aufgenommen werde, dass, da in dieser Hinsicht seiner Auswanderung nichts mehr entgegenstehe, auch wegen der Kosten seiner Uebersiedelung nach Amerika das Erforderliche verhandelt und festgestellt worden, und durch den Agenten Wiemann bereits für ihn ein Platz auf einem nach Newyork abgehenden Schiffe belegt sei, er binnen einigen Tagen nach Bremerhaven werde befördert, um dort eingeschifft zu werden.

Auch wurde dem Schwarz noch eröffnet, dass die zu seiner Ausrüstung erforderlichen Kleidungsstücke und Utensilien angefertigt werden, und er damit demnächst bekannt gemacht werden solle. Der Schwarz liess sich diese Eröffnung zur Nachricht dienen, und erklärte, dass er aus eigenem Wunsche nach Amerika übersiedeln, und nicht hierher zurückkehren werde.

 

Vorgelesen, genehmigt, unterschrieben und in Haft zurückgeführt

Albert Schwarz

 

A. Hilling