Gründe für die Migration

Der "Wilde Westen" Nordamerikas war ein Raum erträumter Möglichkeiten und zog mehr Migranten an, als jedes andere Gebiet auf dem Globus. Wer nichts besaß, aber etwas konnte, der hatte das Potential, viel zu erreichen. Jürgen Osterhammel sieht im Wilden Westen eine Region, in der "die Karten zwischen Verlieren und Gewinnern" neu gemischt wurden. 1800 lebten im Westen der USA, also in allen Staaten die nicht an den Atlantik grenzten, ca. 1,5 Millionen Native Americans ("Indianer") und 350.000 "weiße" Siedler. 100 Jahre später waren 1,2 Millionen Native Americans ausgerottet. Die Zahl der Europäer betrug nun 45 Millionen.

 

Ostfriesen wanderten nicht aus weil sie religiös oder politisch verfolgt wurden – wie es bei vielen Engländern der Fall war. Sie versuchten vielmehr vor der Armut und der Unterdrückung durch reiche Bauern zu fliehen und aus althergebrachten Strukturen auszubrechen.

 

Ursachen für die soziale Not waren z.B. die sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundetrs häufenden Missernten, die Instabilität der politischen Lage durch die Napoleonischen Kriege und die 1848er Revolution. Auch die beginnende Industrialisierung brachte zunächst nicht nur Gewinner sondern auch Verlierer hervor und entzog vielen Kleinhandwerkern und Landarbeitern die Lebensgrundlage.

 

Die wirtschaftliche Not und besonders die Perspektive auf ein selbstbestimmtes Leben sind auch für Jürgen Hoogstraat die wesentlichen Ursachen für die Auswanderung. Vor allem Landarbeiter aus dem Rheiderland und der Krummhörn wurden mit dem Versprechen und der Hoffnung, ihr "eigener Herr auf eigenem Grund und Boden" zu sein, zur Migration in die USA "getrieben".

Die wechselnden politischen Obrigkeiten in den ostfriesischen Moor- und Geestgebiete waren nicht in der Lage, die sozio-ökonomische Not zu lindern. Man war insgesamt froh, wenn Menschen sich durch Auswanderung dem "Pauperismus" entzogen. Die deutschen Behörden bearbeiteten die Auswandererangelegenheiten daher sehr schnell.

 

Es waren oft Anzeigen von Agenten in den Zeitungen, Berichte von Auswanderern oder Briefe von Verwandten und Bekannten aus der Neuen Welt, die Anstöße zur Auswanderung gaben. Die meist emphatischen Briefe wurden nicht nur von der adressierten Familie gelesen, sondern auch an viele Verwandte und Bekannte weitergereicht. Die Briefe aus Amerika nach Ostfriesland hatten also einen großen Wirkungsradius. Oft zeichneten die Briefe die Situation in der Neuen Welt übertrieben positiv, weil die Auswanderungsagenten es gerne sahen, wenn ihre Kunden neue Kunden warben – aber viel wichtiger war, dass die  Amerika-Ostfriesen oftmals Heimweh hatten und hofften, durch Berichte von einem Land in dem Milch und Honig fließen, ihre Verwandten und Freude „herüberzuholen“ und wieder bei sich zu haben.

Der Boden in den USA, besonders in Iowa, Illinois und Nebraska war jedoch tatsächlich gut geeignet für die ostfriesischen Landarbeiter – und er war günstig zu bekommen. Nach der rücksichtslosen Zurückdrängung der Native Americans (durch Krankheiten, Kriege, Verträge, erzwungende Assimilation und Massakern), war das Land frei und konnte preiswert bei der US-Regierung erworben werden. Somit konnten viele kleine ostfriesische Bauern schon in der ersten Auswandergeneration Farmland erwerben, welches das der großen Bauern daheim gradezu jämmerlich klein erschienen ließ.

 

Es gab aber unter den ostfriesischen Migranten auch Deutsche, die keinen Kriegsdienst ableisten wollten oder wegen damals als kriminell bewerteten Taten das Land verlassen mussten.

 

Alle bisher genannten Gründe waren sog. "Push"-Faktoren, also Gründe, warum man seine alte Heimat verließ. Daneben gab es auch einen starken "Pull"-Faktor, warum man nach Amerika einwanderte: der dort herrschende Arbeitskräftebedarf. Immer neue Gebiete wurden auf Kosten der Native Americans unter den Pflug genommen. Dazu benötigten die USA Millionen von Immigranten um die "freigemordeten" Gebiete neu zu besiedeln und wirtschaftlich auszubeuten.

 

Der Brief unten zeigt auf, dass auch noch in der Zeit der Weimarer Republik vor allem wirtschaftliche Gründe die Ursache für Migration waren.